Montag, 4. Oktober 2010

Umgangsformen - S-Störung - Arrythmien

Sonntag, 7. Februar 2010 - 20:45 Uhr
Umgangsformen (Variation zu S-Störung)


Es war inzwischen ein gutes halbes Jahr her dass er Bert kennengelernt hatte.
Eigentlich war der so überhaupt nicht sein Typ, wenigstens äußerlich nicht.
Aber hinter dessen lederner Schale versteckte sich ein sensibler Kern.
Bert war gerade aus einer norddeutschen Kleinstadt nach Hamburg gezogen. Er war den Mief und das Gerede dort satt und meinte hier in der Großstadt würde er sich freier ausleben können, mehr zu sich selbst stehen können, ohne Bedenken wegen der blöden Kollegen haben zu müssen, die nichts begriffen.
Ihn offen zu mobben hatten sie sich nicht getraut, aber für sie war er trotz aller Äußerlichkeiten nur die schwule Tunte.

Bert stand eines Abends am Tresen, enge Lederhose, schwarzes Muscleshirt, breiter Gürtel und einen auffallenden rothaarigen Schnauzbart. Das war es auch woran er hängen blieb, dieser Schnäuzer. Es war ihm unverständlich wieso diesen Haartracht wieder in Mode gekommen war. Er bestellte sich ein Bier und hockte sich schräg gegenüber von Bert an den Tresen. Immer wieder musste er ihn ansehen. Wieso hatte dieser dunkelhaarige Typ einen roten Schnäuzer? Eines von beidem war nicht echt, soviel stand fest.
Bert sah ein paar Mal beiläufig an ihm vorbei bis er seinen Blick an ihm haften ließ. Keine Möglichkeit mehr für heimliche Blicke. Beim nächsten Hinsehen gab es kein wegsehen mehr. Berts Augen hielten ihn, aufgeben und wegsehen wollte er nicht. Schließlich war er interessiert, obwohl ihm da scheinbar eine Ledertype gegenüber saß. Jetzt grinste der Typ auch noch ganz untypisch. Dann nahm er sein Bier in die Hand, ohne ihn aus den Augen zu lassen, kam um die Ecke des Tresens und setzte sich mit einem einfachen „Hallo!“ neben ihn.
Mehr wusste er auch nicht zu erwidern, bis seine Neugier siegte.
Mit einem Kopfnicken Richtung Schnauzbart fragte er einsilbig: „Gefärbt?“
Bert lächelte freundlich zurück und erklärte etwas ausschweifender von Erbmasse und bereits sein Großvater, sein Vater immer glattrasiert, aber der morgendliche Flaum auch und etwas von jugendlicher Scham und so. Naja und irgendwann hatte ihn die Auffälligkeit gereizt und wie man sieht hätte er ja doch immer wieder Erfolg damit.
Sie nutzten den Gesprächsaufhänger und kamen vom hundertsten ins tausendste, bestellte nebenbei abwechselnd Bier und Wasser. Gegen Mitternacht wollte Bert mal vor die Tür, zum Rauchen, und fragte ob er mitkommen würde. Er machte sich auf beginnendes Gefummel gefasst, aber sie redeten nur weiter.
Nein, keine Sorge, er wäre nicht für die schnelle Nummer, auch wenn er schon Lust hätte, aber er suchte was festes und würde sich lieber Zeit lassen argumentierte Bert gegen seinen erwartungsvollen Blick.
Und sie ließen sich Zeit, trafen sich auf ein Bier, gingen ins Kino, einfach nur spazieren und redeten miteinander, übereinander. Es dauerte ein paar Wochen bis sie beschlossen nach der ersten Nacht noch viele weitere miteinander zu verbringen.
Alles lief wie nach Plan, nach Berts Plan, vorher, dabei und später auch. Aber er war damit einverstanden. Ließ sich führen, auch als es nach und nach immer ein wenig härter wurde. Er genoss die Schläge dabei bis Bert ihn das erste Mal dazu nackt kniend im Kellerraum warten ließ.
Seine Kniescheiben schmerzten und es gab keine Möglichkeit in andere Gedankenwelten zu flüchten.
Als Bert endlich in den Raum kam und sich breitbeinig auf einem Stuhl vor ihn setzte senkte er den Kopf um die Tränen zu verbergen.
Bert wollte ihn zu sich befehligen und er schüttelte entsetzt den Kopf.
All die alten Bilder waren plötzlich wieder da.
Männer in Kutten die strafen, schlagen, züchtigen und benutzten.Und er war nur einer von vielen. Bert wollte den Druck erhöhen, ihn zwingen, aber nichts ging. Rien ne vas plus. Schluchzend warf er sich auf den kalten Betonboden und später im Halbdunkel des biederen Wohnzimmers erzählte er mit dem Kopf auf Berts Oberschenkel. Der Deckel auf dem Gefäß mit seinen sich selbst verbotenen Erinnerungen saß auch nach all den Jahren nur lose auf.
Die halbe Ewigkeit von vier Jahren und diverse Infekte später hatten seine Eltern ihn in ein anderes Internat nach Süddeutschland geschickt, des Klimas wegen.
Sie hatten keine Zeit für ihn, das Geschäft, er müsse doch verstehen und er wäre doch schon ein großer Junge.
Wieviel seiner Kindheit sie ihm da bereits geraubt hatten, das hatten sie nie erfahren.
Warum er trotzdem wieder zurück in die Stadt gekommen sei, fragte Bert.
Die Stadt, der Hafen, die Größe, man könne aus dem Weg gehen hier.
Ob er nie einen von denen wieder gesehen hätte, zufällig.
Nein, das nicht, aber im Telefonbuch wäre er mal über einen Namen gestolpert.
Der schlimmste von allen, inzwischen sicherlich ein alter Mann und verjährt wäre es wohl auch inzwischen.
Offiziell sicherlich, nach Gesetzeslage. „Aber was ist mit dir? Verjährt das je für dich?“ „Anscheinend nicht, sonst wäre es ja eben nicht so nach außen gebrochen.“

Wenn sie in den nächsten Tagen nicht darüber redeten, dann schwiegen sie viel.
Etwas arbeitete in Bert, der schließlich nach dem Namen fragte.
Erschöpft vom erinnern der Details und reden darüber gab er ihn preis.

Einige Wochen später hatte Bert noch etwas zu erledigen bevor sie zu einer Party aufbrechen wollten. Ganz privat, im kleinen Kreis.
„Ich hol dich in einer Stunde ab!“
Zeit genug sich noch in aller Ruhe fertig zu machen, die Vorfreude zu genießen.

An der Tür der Kellerbar hing ein Schild: „Heute geschlossene Veranstaltung“
Bert hatte ihm etwas neues für den heutigen Abend versprochen.
Ein ganz kleiner Kreis, keine zehn Männer hatten sich versammelt, alle kannten sich.
Einen hatten sie bereits an das große Kreuz geschnallt, geknebelt und mit dem Gesicht zur Wand. Wie beiläufig gingen sie abwechselnd zum Kreuz, griffen sich eines der Schlaginstrumente an der Wand und schlugen zu, nicht gerade zimperlich.
Das Opfer grunzte stöhnend in seinen Knebel.
Drei oder vier Bier später forderte Bert ihn auf: „Und jetzt du!“
Er war sich nicht sicher ob er das auch wirklich wollte, aber Bert führte ihn zu dem Kreuz, gab ihm eine Edelstahlrute in die Hand und blieb ganz nah bei ihm.
Anfangs schlug er bedächtig, aber Bert gab den Takt vor.
„Stärker, härter, mehr!“ Die anderen versammelten sich um sie herum und feuerten ihn an. Seine schlagende Entjungferung. Der am Kreuz wand sich unter den Schlägen und Bert flüsterte dass er daran denken sollte wie es früher war, im Internat.
Nach und nach raunten sie ihn in einen Rausch, denken konnte er nicht mehr.
„Härter! Fester! Stärker!“ Der Schweiß lief ihm in die Augen, der Raum war dunkel und er nahm weder die Striemen noch das Blut wahr.
Die nutzlosen Schreie in den Knebel waren den heftigen Atemzügen bei jedem Schlag gewichen. Er wusste nicht wie oft er zugeschlagen hatte, aber irgendwann fiel ihm die Rute aus der Hand und landete klirrend auf dem Boden.

Bert führte ihn an den Tresen, kümmerte sich, sprach auf ihn ein. Die anderen kümmerten sich um das Opfer, zogen ihm einen Sack über den Kopf und banden ihn los. Zwei von ihnen führten ihn unbemerkt hinaus.
Er hätte entsetzt sein können über seine eigene Härte, aber die anderen Männer lobten ihn. Aber nein, er wollte nicht die Seiten wechseln, jetzt wüsste er ja wie das ist.
„Wer war denn der Typ eigentlich? Kenne ich den?“
„Ja und er hat auch extra für diesen Abend mal die Seiten gewechselt. Nun weiß der auch wie das ist und wird draußen von den anderen beiden seine Belohnung kriegen. Manche sind für ihre Erfahrungen nie zu alt.“



Mittwoch, 3. Februar 2010 - 15:22 Uhr
S-Störung


Die Bürotür hatte er abgeschlossen. Das Leder seines Schreibtischstuhls knarrte unter ihm als er sich hinsetzte und die Hydraulik federte seinen Körper mit einem leisen „pfffffff“ ab. Mit leicht zitternden Fingern nestelte er in seiner Brieftasche. Sorgfältig zwischen alten Kaufbelegen eingefaltet kam der Brief zum Vorschein. Niemand außer ihm hatte ihn bis jetzt gelesen, außer denen die den selben Brief bekommen hatten.
Außer der Anrede war dort nichts persönliches, wie der Vordruck eines Briefes von der Versicherung.
Sehr geehrter Herr – stand als Anrede darüber. Als er den Inhalt das erste Mal gelesen hatte war er erstaunt dass sie ihn nicht mit seinem Vornamen angeschrieben hatten, so sehr fühlte er sich in die Jahre seiner Kindheit zurückversetzt.

Die verhassten Jahre im Internat in dem sie ihn zur Elite heranzüchten wollten.
Hunderte pubertierender Klone waren sie, Individualität war nicht gewünscht.
Außer dem Gesang in der Kapelle und zu den Mahlzeiten war Musik eine heimliche Angelegenheit. Bücher gab es nur aus der Bibliothek oder die Bibel.
Sie sollten nicht denken und schon gar nicht nachdenken, man bleute ihnen nur das funktionieren ein. Mit Gottes Hilfe, und wenn das nicht fruchtete dann auch mit Schlägen und Bestrafungen. Lob gab es selten. Nur für die Neuankömmlinge in den ersten Wochen und dann ausnahmslos von der dicken Köchin, die sie solange zwischen ihren dicken Busen presste bis sie nach Luft schnappten. Viele von ihnen träumten nachts von ihr, aber nicht so wie pubertierende dreizehnjährige träumen, die meisten wachten schreiend auf. Entkommen konnte man ihr nicht, sie stellte sich einfach in den Weg wenn man ihr begegnete und Umkehr wäre unhöflich gewesen. Also griff sie einen im vorbeigehen und drückte die wehrlosen Jungen in sich.
In dem Maße wie den Schülern die Luft wegblieb beschleunigte sich ihr Atem.
Mit einem „Ach Burli...“- Seufzer entließ sie einen irgendwann wieder und mit dem Blick zu Boden gerichtet zogen die Jungen ihrer Wege. Niemand traute sich etwas zu ihr zu sagen, sie meinte es ja scheinbar nur gut und nach den ersten Wochen hörten ihre Quälereien auch auf. Und wenn sie jemanden besonders ins Herz geschlossen hatte, dann steckte sie ihm auch mal das ein oder andere Stück zu. Meist war es leicht angefaultes Obst das sonst wahrscheinlich im Trog für die Schweine gelandet wäre.
Dass meiste davon flog im hohen Bogen auf die andere Seite der Mauer. Eine Ecke des Hofes war von der Küche nicht einsehbar und dort war hinter der Mauer so etwas wie ein kleines Wäldchen, wenn man dichtes Gestrüpp so nennen konnte.

Die Leiter die auf der anderen Seite der Mauer stand war, solange er dort war, nicht entdeckt worden. Die höheren Jahrgänge nutzten sie um ungesehen wieder auf das Gelände zu kommen wenn sie sich abends verspäteten. Die Mauer war etwas höher als drei Meter und manch einen verriet am nächsten Tag das kaum zu unterdrückende humpeln weil er sich beim Sprung von der Mauer den Fuß verstaucht hatte.

Aber Schmerzen gehörten bei ihnen zum Alltag und Neuankömmlinge lernten schnell damit umzugehen. Ihre Schreie verhallten meist um die selbe Zeit in der die Köchin ihre Umarmungen einstellte. Und es war ja auch niemand da, von außen, der sich im Sportunterricht über die blauen Striemen wundern würde.
Schläge waren die bevorzugte Bestrafung der Brüder, vor allem auf nackte, zitternde Jungenkörper, die die viel zu großen Füße aneinander rieben vor lauter Scham.
Es dauerte eine Weile bis er glaubte zu merken wie sie Gefallen daran fanden.
Und noch eine ganze Weile später erst war er sich dessen sicher.
Gründe? Es ließ sich aus fast allem eine Begründung machen. Geflüsterte Worte bei den Mahlzeiten, verdächtige Bewegungen unter der Bettdecke, absichtliche Missverständnisse.

Er legte die Handgelenke auf dem Schreibtisch ab und sah über das Blatt hinaus aus dem Fenster. Graue Schneewolken schoben sich langsam über die Stadt, aus deren Schornsteinen sich der Dampf wie Watte emporquälte.
Er hatte all das hinter sich gelassen, weggeschlossen hinter seinen Erinnerungen. Und gerade hatte er anfangen können zu glauben dass es niemals passiert war, da kam dieser Brief.
Sie wollten sich in aller Form entschuldigen für das was damals passiert war.
Als wenn man den Geschehnissen die seinem Leben damals jegliche Form genommen hatten jemals die Schuld nehmen konnte.
Er wollte überleben und vegetierte sich innerlich zusammengekauert durch die Jahre im Internat.
Und dann wollte er nur noch vergessen. Aber es war da, jahrzehntelang lauerte es ständig unter der Oberfläche und kroch von Zeit zu Zeit kratzend an die Oberfläche.
Es war wie eine vergessene angeschimmelte Zitrusfrucht die sich mit ihrem penetranten Geruch bemerkbar macht.
Tagelang trug er diesen Geruch in der Nase und wusste das es da war, aber er funktionierte. Das hatte er schließlich gelernt, ausnahmslos.

Ein Bild drängte sich in all den Jahren wieder in sein Denken und es hatte seinen Anlass, wie eine Aura kündigte es sich an wenn er eine Unsauberkeit an Geschirr entdeckte. Ein eingetrockneter Essensrest oder ein Fettfilm genügten um ihn innerlich tagelang aus der Bahn zu werfen, die Bilder wieder wie einen Stummfilm ablaufen zu lassen, immer und immer wieder.

Er hatte Tischdienst und als er in die Küche kam um das Geschirr zu holen sah er wie einer seiner Kameraden onanierend am Herd stand und sein Sperma keuchend in die Soße pumpte. Unbemerkt hatte er sich hinter eine Kommode gekauert und gewartet bis er wieder ganz allein in der Küche war.
Später saß er vor seinem Teller und brachte keinen Bissen hinunter.
Aber es wurde gegessen was auf den Tisch kam und jeder Teller hatte am Ende der Mahlzeit leer zu sein. Wer nicht auf aß blieb sitzen bis der Teller leer war.
Er saß noch vor seinem unangetasteten Teller als die anderen zur nächsten Mahlzeit erschienen.
Nach dem Abendbrot befahl der Pater ihn in sein Büro, mitsamt Teller.
Er trug die angetrockneten Kartoffeln vorsichtig vor sich her, damit ja nichts von der Soße auf seine Finger schwappte.
Im Büro hatte er sich auszuziehen und nackt vor seinem Teller zu knien, zehn Vaterunser lang. Und noch zehn und noch einmal zehn. Und immer zwischendrin konnte er sich überlegen ob er jetzt essen wollte.
Der Pater wurde seine Wachaufgabe schnell überdrüssig und befehligte dazu einen der jungen Novizen.
Der setzte sich breitbeinig vor ihn und langte nach einer Weile unter seinen Talar und bewegte dort rhythmisch seine Hand.
Er traute sich nicht aufzusehen, bis der junge ihn zu sich befahl, seinen Kopf unter den Talar zwang und ihm die Kiefer auseinander drückte. Die Hand in seinem Nacken zwang ihm den Rhythmus auf und es gab kein Entkommen für ihn.
Am Ende hatte er die Wahl zwischen Schlucken und Ersticken und er schluckte würgend in der Hoffnung auf Erlösung.
Aber es gefiel dem jungen Mann einmal nicht am unteren Ende der Kette zu sein und er ließ ihn am Boden kauern, den Kopf tief über den Teller gebeugt.
Der Lederriemen hing seitlich am Schrank und er machte reichlich Gebrauch davon.
Er hielt lange stand bis der Schmerz ihn zerbrach und er wie ein Hund schmatzend die kalte Mahlzeit herunterschlang. Der Novize kniete hinter ihm, ganz dicht, schob seinen Talar hoch und drückte sich heiß und hart gegen ihn.
Dessen Unerfahrenheit in solchen Dingen bewahrte ihn vor dem äußersten und statt dessen war es nur ein Finger der in ihn drang, während die andere Hand zwischen seinen Schenkeln rieb.
Irgendwann gegen Morgen wurde er mit einem einzigen Satz entlassen: „Niemals ein Wort, zu niemandem!“
Und er hatte geschwiegen, bis heute und er würde es auch weiter tun.
Er wollte nicht, dass alle Welt davon erfuhr, oder auch nur die wichtigsten Menschen in einem Gerichtssaal. Er wollte nicht verhört und ausgehorcht werden und vor allem wollte er darüber nicht in der Zeitung lesen.
Ihm ging es nur ums vergessen nicht mehr um Vergebung oder Bestrafung, dadurch würde sich nichts von all dem wieder rückgängig machen lassen.
Etwas war damals verrückt in ihm, wie eine leichte Unwucht in der Umlaufbahn eines Planeten und er hatte es selbst und sich wieder in den Griff bekommen.
Lediglich in seiner Studentenzeit war einigen aufgefallen dass es bei ihm nie schmutziges Geschirr in der Küche gab.
Er aß nie Soßen und ließ immer einen kleinen Rest auf dem Teller.
Und verschmutztes Geschirr in einem Restaurant geriet ihm innerlich zur Katastrophe wenn er auch äußerlich sehr diskret beim Ober um Auswechslung bat.
Irgendwann war er in einer gesellschaftlichen Position angelangt in der seiner Bitte sofort dienstbeflissen ohne Widerrede entsprochen wurde.
Seine Eltern und andere unwissende schoben diesen Erfolg der guten schulischen Ausbildung zu. Aber er selbst glaubte oft dass dies vielleicht der einzige Grund für seinen Erfolg war, endlich keine Diskussionen mehr mit verärgerten Kellnern führen zu müssen.

Den damals jungen Novizen hatte er irgendwann auf einem Bild in der Zeitung wiedererkannt. Er war auf dem Weg um in irgendeinem von Katastrophen und Armut gebeuteltem Land eine Schule aufzubauen und dort die Kinder zu missionieren.
Er hoffte inständig für die Kinder dort dass der Mann seine Art der Missionierung inzwischen verändert hatte und verdrängte die Bilder die ihm sein Gewissen aufdrängen wollte weil er nicht einschritt und schamhaft in seiner Tatenlosigkeit versank.

Und jetzt wollten andere die nicht vergessen konnten alles aufdecken.

Er blickte auf die Uhr. Es war längst Zeit Feierabend zu machen.
In der Tiefgarage hörte er die Verkehrsnachrichten. Blitzeis auf den Straßen.
Nur wenige Fahrzeuge krochen unbeholfen durch die Stadt und vereinzelte Fußgänger hangelten sich entlang der Hauswände.
Langsam fuhr er an die Ampel, nahm den Brief aus der Tasche und zerriss ihn in ganz kleine Schnippsel. Mit einem leisen surren ließ er die Seitenscheibe ein paar Zentimeter hinab und beim Anfahren ließ er das Papier nach und nach durch seine Finger gleiten.
Die nächste Ampel war grün und er beschleunigte vorsichtig.
Ruckartig bewegte er das Lenkrad um die Kurve und die Masse beschleunigte den Wagen seitlich rutschend auf das Hafenbecken zu.
Es gab noch keine feste Eisdecke, die Eisschollen teilten sich als der Wagen aufschlug und schwappten über ihm wieder zusammen als das Fahrzeug langsam auf den Grund sank.
Den Sicherheitsgurt öffnete er erst im allerletzten Moment als die Kälte des eisigen Wassers endlich zu ihm durch drang.
Er hatte wieder alles unter Kontrolle, selbst seinen Körper der ihm befehlen wollte sich aus der Situation zu retten beherrschte er perfekt.



Sonntag, 17. Januar 2010 - 00:22 Uhr
Arrhythmien


Manchmal fragt man sich
wieso man die Suppe nicht aus flachen Tellern isst?
Weil sie überschwappen könnte
wie Gefühle oder Tränen.
Die muss man kauen, beide.
Sich an den Brocken verschlucken
und den bitteren Nachgeschmack
lässt man sich auf der Zunge zergehen.
Dann kann man sich zu Tode hungern
oder es einfach satt sein, oder haben.

Papier ist geduldig
und langsam, zu langsam
um die Gefühle darin festzuhalten.
Papier nimmt übel
die Maschine richtet, automatisch.
Fehlfarbene Gedanken
dunkelgrau vor schwarzem Hintergrund.
Synästhetische Wirren
die sich zusammenballen
wie ein Haarknäuel im Katzenschlund.

Es ist Winter, draußen
und in manchen Stunden innerlich bitterkalt.
Es friert in den Auen und Herzen,
Worte ersticken unausgesprochen
in gefrierendem Atem.
Das Mädchen mit der Schwefelsäure
entzündet ein Feuer in ihren Haaren
an dem sich die armen und kranken wärmen,
und die, die nichts haben als sich selbst
und sich damit aneinander genug sind.

In der größten Not
frisst der Teufel kleine Mädchen
die nicht hören wollen.
Und wer nicht hören kann
muss fühlen,
ob er will oder nicht.
Und wer nicht fühlen kann
sieht ein Licht
oder ein leuchtend Mädchen
am Ende des Tunnels.
Verdammte Ewigkeiten.

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