Samstag, 6. Juni
2009 - 22:50 Uhr
junimond
junimond
Der Rauch der Zigarette dringt in dünnen Fäden durch das Fliegengitter.
Ein- oder ausgesperrt könnte man sich fühlen,
das käme ganz auf die Sichtweise an.
Aber was würde das schon beweisen, wenn man mit der Glut ganz einfach ein Loch in das Gitter schmelzen kann, zudem noch völlig geräuschlos.
Vor ihr wippt die Bachstelze mit zuckenden Insekten im Schnabel,
zu spät, im Nest ist Stille, gestern sah sie eine Krähe von dort abfliegen.
Fressen und gefressen werden, so entsetzlich schön kann Natur sein.
Alles beugt sich dem Wind, Blattfetzen im Juni.
Andererseits, man muss auch loslassen können,
all dies ganze wenn und aber.
Abwägen, aufwiegen, gegeneinander - aufrechnen.
Manches kann man nicht berechnen, schon gar nicht gegeneinander.
Da wird einfach ein fließendes Miteinander draus.
Wenn man miteinander lachen kann,
dann sollte man auch miteinander weinen können.
Das bewahrt einen vielleicht vor dem umeinander.
Vielleicht - wenn man vielleicht in die Zukunft sehen könnte,
mit sezierenden Blicken. Oder besser nicht.
Wenn man immer genau wüsste was kommt,
würde man die Zukunft der Langeweile preisgeben.
Das Leben ein einziges Dejavu? Gebraucht gelebt sozusagen.
Es kommt immer anders als man denkt
und manchmal auch ganz genauso.
Selten gräbt sich sekundengleich ein einziges Wort ein,
um sich dann, viel später, zu bestätigen, als hätte mans gewusst.
Träume sind Schäume
und Wünsche sind da um Wirklichkeit zu werden.
Die Hoffnung nicht aufgeben
und sich an einem roten Faden durchhangeln.
Am Schorf kratzen bis er bricht,
manchmal blutet es darunter und heilt dann ab.
Auflösen im Gemeinsam,
ein diffuses Ziel vor Augen, irgendwann zusammen ankommen.
Aus dem jetzt und morgen ein damals machen.
Weißt du noch?
Ja, ich hab es immer gewusst.
Wir können uns abschlagen vom Leben,
aber nicht auf und davon, losschlagen.
Bleiben müssen, können und wollen.
wert machen füreinander, das Leben an und für sich.
Wenn es lahmt,
zeigen uns die Träume
wer trotz allem in uns steckt,
die guten und die unglaublichen Seiten.
Irgendwo liegt immer das offene Meer vor uns,
auch wenn wir langsam der Abendsonne entgegegen segeln.
Schweigsam liegen wir in der Abendflaute und zählen die aufsteigenden Sterne,
bis es, uns aufscheuchend, knatternd in den Segeln reißt.
Klar? Klar!
Vor Anker gegangen bin ich in dir,
kein Sturm kann das lösen.
Am Anfang wars rund und Haftbilder blieben,
runder wird es immernoch,
jeden Abend zu späterer Stunde,
anstatt sich zu vermissen.
Zu dir oder zu mir,
steht irgendwo im Raum der vorstellbaren Möglichkeiten.
Beizeiten finden wir eine Lösung,
die vielleicht ganz woanders liegt,
wo wir beides haben,
mein grün und dein blau.
Junimond
du fehlst grad so
Mittwoch, 13. Mai 2009 - 22:19 Uhr
jump
Die Hitze ist in diesem Jahr viel zu früh da und macht alles noch unerträglicher für ihn, als wenn man unerträglich noch steigern könnte.
Doch man konnte, das wusste er.
Oft hatte er schon gedacht das er nicht noch mehr ertragen konnte, aber er konnte.
Er verfluchte die automatischen Außenjalousien. Entweder war es kühl und dunkel, oder hell und heiß.
Das ewige auf und ab bei bewölktem Himmel machte ihn zur Zeit fast wahnsinnig. Nichts wünschte er sich mehr als Ruhe.
Diese verdammten Zahlen, er konnte sie drehen und wenden wie er wollte, nichts passte mehr zueinander, gewohnte Abläufe funktionierten einfach nicht mehr.
Jahrelang waren die Dinge ihren Gang gegangen und man konnte sich auf die berechenbaren Zufälle verlassen, sie sogar mit einem einzigen Satz zu den eigenen Gunsten forcieren.
Er war dort oben angekommen, wo man auf seine Worte lauschte.
Er sah es an den digitalen Spitzen und Tälern auf den Monitoren.
Mehr als einmal hatte er einem freundschaftlich auf die Schulter geklopft, der nach einem guten Rat gefragt hatte um ihn dann, je nach Sympathie oder Nutzen, entweder über die eigene Klinge springen zu lassen oder ihn auf der Leiter ein Stück nach oben zu hiefen, um ihn dann bei nächster Gelegenheit vielleicht doch fallen zu lassen.
In diesem Gebäude gab es kaum noch jemanden der an ihn und seinem Ruhm kratzte, völliges Vertrauen nannte man das wohl.
"Scheiß drauf," zischte er, winzigste Spucketröpfchen auf dem Monitor hinterlassend.
Jetzt bräuchte er einen Tipp, nur den Hauch von einem Wink.
Seit Tagen wiederholte er seine Stoßgebete, aber es kam keine Antwort.
Er hatte sogar schon einer Stubenfliege die Möglichkeit gegeben seine Entscheidungen zu beeinflussen.
Wenn sie auf dem G gelandet wäre, dann hätte er sich zum Handeln entschieden.
Aber sie war aus dem Büro geflogen und hatte ihn damit in jeglicher Handlung gelähmt.
Im ersten Moment hatte er ihr entsetzt nachgestarrt, bis ihm seine Narretei bewusst wurde.
Eine Stubenfliege über solche Dinge entscheiden zu lassen wäre dann doch zuviel göttliche Fügung gewesen. Wahrscheinlich hätte er sowieso genau das Gegenteil von dem getan.
Seine Krawatte saß eng und der Hemdkragen schabte an seinem täglich zunehmend schlechter rasierten Hals.
Äußerlichkeiten waren sowieso nur noch ein Witz.
Momentan hatte er das Gefühl eher in billigen Polyester von der Stange zu passen als in den Maßanzug.
25% Wollanteil, wenn er wenigstens noch 25% retten könnte.
Die 75% edel knitterndes Leinen würden ihn den Hals kosten, wenn ihm nicht bald etwas einfiel.
Er brauchte dringend einen Termin bei Sophie, vielleicht würde sie eine Erleuchtung aus ihm herausprügeln können.
Er wünschte sich, sie würde ihm mit dem Rohrstock die Haut vom Körper schälen, aber auf solche Wünsche ließ sie sich selten ein, und wenn dann nur gegen ein horrendes Honorar.
Er fragte sich jetzt schon, wie oft er ihre Dienste noch in Anspruch würde nehmen können.
Ohne Job würde er die 400 Euro nicht mehr so einfach aus dem maßgeschneiderten Ärmel schütteln können.
Vielleicht sollte er langsam anfangen ihr etwas von Gefühlen vorzugaukeln. Solange sein Stern noch so hoch stand würde sie ihm vielleicht in die Falle gehen, in der Hoffnung auf ein leichteres Leben.
Keine Termine mehr und nur noch einen einzigen Kerl schlagen und quälen.
Aber es schien ihm fast als hätte sie Spaß an ihrem Job.
Wenn er das doch auch wieder von sich sagen könnte.
Wo war sein Elan hin, sein Mut, die Waghalsigkeit?
Aus dem Kopf wählte er Sophies Nummer und lauschte ihrer Stimme auf dem Anrufbeantworter.
Er hatte gehofft persönlich mit ihr sprechen zu können, vielleicht hätte sie einen zündenden Funken losgetreten.
Fluchend legte er den Hörer wieder auf, er würde es später vielleicht noch einmal versuchen. Heute würde er keine besonderen Wünsche äußern.
Außer dem einen der totalen Erniedrigung, er wollte an seinen Empfindungen kratzen.
Nicht nur daran kratzen, er wollte ehrlich empfinden, sich in seinen eigenen Exkrementen suhlen und sie hinterher selbst wieder aufputzen müssen.
Sie würde ihn beschimpfen, kleinmachen und ihn zu sich selbst führen.
Jeder einzelne ihrer Schläge würde ihm zeigen was für ein nichtsnutziger Wicht er wäre und am Ende wären seine Tränen und die allumfassende Demut dabei echt, zumindest für einen kurzen Moment.
Das schaffte nur Sophie.
Er sehnte sich danach ihre Stiefelabsätze zu lecken und zu ihren Füßen zu kriechen.
Manchmal hasste er sich weil er die perfekte Inszenierung des Klischees:
erfolgreicher Mann versus Freizeitsklave, bediente.
Er hatte es vorher mit allem möglichen probiert: Golf, Tennis, Fallschirmspringen, Skifahren. Nur hatte er nirgends etwas in sich empfunden dabei.
Nicht einmal in der Luft, wenn er bis zuletzt wartete um an der Reißleine zu ziehen und auch schneebedeckte Berge konnten ihm nichts demütiges abringen. Er hatte sich dort nur allein gefühlt, weil er stets das Gefühl behielt alles unter Kontrolle zu haben.
Anfangs war das auch bei Sophie so gewesen, bis er einmal im falschen Moment gekichert hatte. Da hatte sie gewusst das sie bei ihm viel weiter gehen konnte und ihn das erste Mal zu Tränen gerührt.
Erneut wählte er ihre Nummer, nur der Anrufbeantworter.
Wenigstens empfand er jetzt so etwas wie Scham.
Weil er seinen wiederholten Versuch sie zu erreichen schon als Bettelei verstand und wegen der Leere in seinem Kopf.
Er sah auf den Monitor und sah die grüne Linie, die sich stetig abwärts bewegte und nichts würde sie aufhalten können, dessen wurde er sich jetzt bewusst.
Oft hatte er sich dieses Szenario schon genüsslich zurückgelehnt betrachtet, die Krawatte gelöst und die Arme hinter dem Kopf verschränkt, in dem Bewusstsein das es einen point of return gab, an dem er nur zum Telefon greifen musste. Er war dabei stets hochkonzentriert gewesen und hatte alles im voraus geplant. Er beobachtete die Linien und die anderen beobachteten ihn.
Und mit 2 oder 3 Sätzen die er ruhig in den Hörer sprach hatte er alles zu seinen Gunsten gerichtet.
Manche hielten das für göttliche Intuition, aber dafür hätte es einer Ehrfurcht vor anderen Mächten bedurft. Er hatte sich dabei aber stets nur auf sich selbst verlassen. Und jetzt war er verlassen.
Alles was er jetzt noch tun würde, würde die Situation nur noch beschleunigen.
Noch einmal nahm er den Hörer auf, wählte ihre Nummer.
Die Leitung war tot, kein Anschluss unter dieser Nummer.
Er sah auf das Display. Nein, er hatte sich nicht verwählt.
Er lehnte sich zurück, schloss die Augen und sah sich am Ufer eines Teiches stehen. Er suchte am Boden nach flachen Steinen und warf den ersten in die Mitte der ruhigen Wasserfläche und sah zu wie sich Sprung um Sprung Kreise auf der der Oberfläche bildeten.
Mit dem Mauszeiger fuhr er die Linien auf dem Monitor nach, dann fuhr er den PC runter.
Eine Weile saß er noch an seinem Schreibtisch und sortierte Stifte und Zettel hin und her, dachte kurz über eine letzte Verwendung dessen nach um sich dann dagegen zu entscheiden.
Er richtete seine Krawatte, knöpfte sein Jackett zu und wartete bis die nächsten Wolken die Jalousie wieder hochfahren ließen, dann öffnete er das Fenster.
Montag, 11. Mai 2009 - 10:39 Uhr
awareness
"... und warte," hast du gesagt.
Jetzt warte ich, gefesselt, die Augen verbunden.
Mir ist ein wenig kalt, so wie einem ist wenn man schutzlos nackt ist.
Ich horche in mich, mein Puls ist deutlich, ein bisschen schneller. Ich höre das Blut in Wellen durch meinen Körper rauschen.
Jemand im Haus kippt einen Lichtschalter, Dielen knarren, wenig später noch einmal.
Leise Musik dringt zu mir, ganz leise, dein Feuerzeug schnippt, ich rieche Rauch. Eiswürfel klirren im Glas.
Du stehst auf, gehst zum Fenster, bewegst das Eis klirrend im Glas.
Trinkst, ich höre wie sich dein Adamsapfel beim Schlucken bewegt.
Das schnippen der Asche, ein letzter Schluck, die Eiswürfel gleiten zäh am Glas hinab und klirren am Grund aufeinander.
Ich atme, zu laut, obwohl ich mühsam versuche meine Aufregung zu beherrschen.
Ich beherrsche nichts, nicht einmal die geringsten Funktionen.
Wir kennen uns so genau und trotzdem gelingt es mir nie.
Wir sind dabei wie Fremde und trotzdem nah.
Ich bin zu weit bei mir um noch die Deine zu sein, du wirst mich holen.
Ich kenne die selbst nicht, die ich gleich sein werde, sie ist immer anders, neu und alt und manchmal ganz jung. Sie geht den Weg den du zeichnest.
Klein ist sie, wenn sie da unten ist, vor den Türen steht, die du öffnest.
Sie fürchtet die Dunkelheit dahinter und will doch hinein.
Ich seufze, jetzt habe ich nicht hingehört. Meine Sinne suchen dich.
Du stehst am offenen Fenster und atmest ruhig, dir gelingt das, du lieferst dich anders aus.
Du zeigst dich, mich schälen wir, Schicht um Schicht, bis ich offen bin.
Ich habe ein wenig Angst, jedes mal, nicht vor dir, vor mir.
Vor dem Schmerz, den ich doch will, um auf seinen leuchtenden Leitlinien nach unten zu gleiten.
Jetzt nähern sich deine Schritte, dein Atem wird lauter.
Die Türklinke knarrt ein wenig.
Würdest du jetzt die Tür aufstoßen und laut sein wäre mein Fluchtreflex geweckt, aber du lässt mir die Qual der leisen Töne, der Langsamkeit.
Damit sich das furchtsame Denken langsam in mir ausbreiten kann.
Der Saum deiner Jeans berührt bei jedem Schritt leicht den Boden, ich höre du kommst barfuß zu mir, dein Wimpernschlag.
Ein angedeutetes Räuspern als deine Hände den Gürtel öffnen und ihn langsam Schlaufe und Schlaufe aus deiner Jeans ziehen.
Der Puls dröhnt durch meinen hastigen Atem.
Dann spüre ich dich Haut auf Haut, ein Moment der Beruhigung.
Ja, du bist da und das ist gut. Ich fürchte nichts.
Mein Herz gleicht sich deinem an.
Ich ahne was kommen wird und weiß wie es endet.
Ein Rausch bei dem sich alles dreht und wendet.
Wie ein Sog der mich nach unten treibt und du an seinem Rand bleibst, oben.
Deine Hand wird mich greifen, immer wieder, bevor er mich verschlucken kann, diese Gnade gewährst du mir lange nicht.
Sein Wirken ist mein größtes Sehnen, wenn alles in mir - ausblenden - schreit und du mir nur kurze Wellen davon gönnst, dann ändert sich alles, für einen kurzen Moment. Dann reißt du mich aus mir heraus wie eine faule Pflanze.
Ich bin ruhig, darauf hast du gewartet, löst dich von mir.
Alles an mir ist angespannt, und wartet, auf das Leder.
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