Rostig quietscht das
schwere Eisentor in den Angeln.
In guten Zeiten ließ es
sich leicht weit aufstoßen und der Park dahinter war blühend und
lichtdurchflutet. Der Weg sauber geharkt, ein klarer Pfad den man nur
zu gehen brauchte um ans Ziel zu gelangen. Es war ein leichtes in
Tagträumen zu verweilen bevor man das Haus erreichte.
Verheißungsvoll lehnten Rosen am Spalier, Päonien lockten
vielversprechend mit ihren aufgeplusterten Blütenköpfen und
zwischen den Buchshecken lagen geführt die Umwege. Es drängte keine
Eile, das Ende des Weges lag im Licht, ein wenig erhaben über allem.
Das Haus mit der schweren
Tür die man nur aufzustoßen brauchte um einzutreten in all die
Zimmer der Möglichkeiten. Alle Räume angefüllt mit Wärme. Große
Fenster die das Licht herein ließen und durch deren Glas man den
Blick weit in die Zukunft schweifen lassen konnte. Alle Türen weit
geöffnet, keine Geheimnisse dahinter. Geschwungene Treppen bahnten
leichtfüßige Wege von Etage zu Etage.
Jeder Ton ein heller Klang
zwischen den Wänden, der seinem Echo begegnete und sich wieder
zurückwarf zum Ausgangspunkt, an dem er mit einem wissenden Lächeln
aufgefangen wurde.
Ein Haus zum Bleiben, zum
darin leben auf lange Zeit.
Die Töne ließen als
erstes die Veränderung spüren. Kein Gleichklang mehr, keine
Antworten mehr auf stumm ausgesandte Rufe. Dem Leichten mischte sich
ein schwermütiger Unterton bei und aus dem gemeinsamen Singsang
wurde ein beständiges Brummen im Hintergrund, so als wäre es der
Vorton einer Sirene die gleich Alarm geben könnte.
Wolken zogen auf, warfen
Schatten in die Räume. Hinter den Scheiben versank der Blick in
schweren Nebeln die sich behäbig über alles legten was dort zuvor
so klar und eindeutig zu sehen war.
Die Türen fielen langsam
eine nach der anderen zu, Dunkelheit machte sich breit, ließ die
Stufen zu Stolperfallen werden.
Aus der
Selbstverständlichkeit mit der man vorher ein Zimmer betreten hatte,
wurde ein zaghaftes Anklopfen mit der Bitte um Einlass. Die Tür am
Eingang immer öfter verschlossen und nur der Zug an der schweren
Glocke ermöglichte den Zutritt.
Über den Park legte sich
ein süßlicher Hauch von Fäulnis von den vermoderten Blüten und
der Laubschicht. Niemand schnitt den Buchs und harkte die Wege, weil
sich alles Sein auf die Schwere konzentrierte die im Haus Einzug
gehalten hatte, bis Stille die Töne gänzlich zum verklingen brachte
und das Atmen in der staubigen Luft zunehmend schwerer fiel, die
einem immer öfter die Tränen in die Augen trieb.
Selbst das Eisentor trieb
ein düsterer Wind so, dass es zufiel, aber nicht gänzlich ins
Schloss, wo es zweifellos durch den Rost wie verschmolzen wäre und
nicht mehr zu öffnen. Es brauchte Kraft es zu öffnen und gelang nur
wenn man die schrillen Rosttöne überhören wollte, die einem wie
eine Warnung entgegen schlugen.
Langhaarige Flechten
hingen von den Bäumen und wehten sich einem ins Gesicht wenn man
darunter durch ging, als wollten sie einen vom weitergehen abhalten.
Das Laub legte sich schwer auf die Füße, die sich im
ungeschnittenen Gestrüpp verfingen, da der Weg nicht mehr zu
erkennen war. Nebel ließen jeden Atemzug wie schwere Luft
erscheinen, die man keuchend im vorwärts gehen einsog.
Der Weg zum Haus nur mehr
eine Ahnung die im Dunkeln lag.
Die Glocke am Eingang
eisig bewegungslos festgefroren, doch irgendwo verborgen ein
Schlüssel. Einzig neu war das Schild: Betreten verboten!
Einsturzgefahr!
Die Tür öffnet sich
gegen Widerstand, als würde sich jemand von drinnen dagegen stemmen.
Nur ein schwacher Lichtschein begleitet die ersten Schritte, bevor
die Tür hinter einem wieder ins Schloss fällt.
Tastend blinde Bewegungen
durch Räume die einst so vertraut waren. Geräusche verschlucken
sich selbst, bis auf das Wimmern hinter den geschlossenen Türen.
Pelziger Staub wirbelt bei
jedem Schritt unsichtbar auf.
Einst gab es hier nur
gelassene Fröhlichkeit, die jetzt einer dumpfen Angst und ihrer
Sorge Raum geschaffen hat, die sich einem auf die Schulter legen.
Vor dem Öffnen jeder
einzelnen Tür ist man gewappnet vor der Düsternis, die einem
dahinter bitter entgegen schlagen könnte. Trotzdem muss jede Tür
geöffnet werden.
Man möchte die Vorhänge
herunter reißen, die Fenster weit aufstoßen, Licht und Luft in den
Jahre alten Moder lassen. All das alte, das wehmütige zum Fenster
hinaus werfen, Platz und Raum schaffen. Aber das ist nicht das Ziel.
Das Ziel liegt hinter
einer der Türen, wo es sich in einem Zimmer in der Ecke verkrochen
hat. Es wollte Raum zum Atmen und sitzt jetzt dort mit angehaltenem
Atem und schweigt sich schluchzend aus.
Vor der Tür ein kurzes
innehalten, überlegen ob es gilt anzuklopfen oder herein zu stürmen
und entscheidet sich dann dafür durch das Holz zu sprechen.
Fragen nach dem warum auf
die es keine Antwort gibt. Keine Antwort ist immer eine schlechte
Begründung und langsam senkt sich die Klinke, öffnet sich die Tür.
Ein Blick auf das
Gegenüber und alles quillt über, macht die Zwischenräume wärmer.
Zurückhaltung stellt sich
dem Willen zum Halten wollen entgegen, zu groß der Schritt.
Stille Worte von Ecke zu
Ecke, dort sitzt man gegenüber, mit dem Rücken an der Wand. Wer
sich in eine Ecke zurückzieht sitzt immer mit dem Rücken an der
Wand und hat keine weiteren Möglichkeiten zum Rückzug mehr, außer
dem Schutzwall bleibt nur der Weg nach vorn, wenn man dort nicht
verharren will. Das gibt Hoffnung, wenn nur zwei diesen Raum kennen.
Ein Wind bauscht den Stoff
am Fenster, lässt Streifen aus Licht auf dem Boden tänzeln, an
denen man sich entlang hangeln kann wie an einer Strickleiter, die
von einem zum anderen führt.
Mit dem Licht weht ein
Hauch des vergangenen Sommers ins Zimmer, treibt ein wenig um im Raum
und zerrt an den Spinnweben die sich verbergend um Altes legen
wollten um es dem klaren Blick zu entziehen. Ein Finger schiebt sich
in eines der bauchig wehenden Netze und zupft es mit einem leisen
Klang entzwei.
Der Ton ein Wunsch, dass
Zimmer wieder heller werden zu lassen, Wärme einfluten zu lassen und
Licht zum Sehen und gesehen werden.
Wohlig kriechend wischt
der Körper eine Spur durch den Staub, die in der anderen Ecke endet
und sich dort niederlässt. Eine Hand schiebt sich um die Fesseln wie
ein Halt. Blicke treffen ineinander, Hand schiebt sich in Hand,
Finger kriechen ineinander und halten sich bis es Zeit ist
aufzustehen und wieder schutzlos in der Mitte des Raumes zu sein und
von dort das Haus zu durchwandern.
Bis alle Räume wieder bis
oben angefüllt sind mit Träumen. Ausgeliefert im Vertrauen darauf,
dass dieses Haus wieder lichter wird, so wie es war und das Schild an
der Tür überflüssig ist.
Bis aller Staub und Moder
im Haus und die Fäulnis im Park wieder weichen und gefühltes Leben
wieder in voller Blüte steht und die Wege wieder klarer erscheinen.
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