Samstag, 2. Oktober 2010

Stillleben - Wermut-Wehmut - Zeit


Samstag, 21. Juni 2008 - 16:03 Uhr
Stilleben


Damals, als ich noch dachte ich wäre unschuldig, stand ich oft davor.
Hinter mir die alte Frau mit dem langen grauen Zopf, die die Mutter meiner Mutter war, was ich nie verstand.
Wozu brauchte eine erwachsene Frau eine Mutter?
Heute bin ich froh das es so ist.
Ich konnte solche Bilder stundenlang betrachten, darin versinken, eintauchen in all das prächtige, farbige Öl.
Kopfüber die Sinne in den schwarzen und goldenen Rahmen versenken.
Das war mein Wonderland.
Ich sah hinter die Bilder, nicht deren Bedeutung, dafür war ich noch zu jung.
Ich sah die Geschichten dahinter.
Sah die Menschen die genau diese Blumen und Früchte und Gegenstände nur für diesen einen Augenblick so arrangiert hatten.
Was ahnte ich denn schon von Vergänglichkeit, Habgier, Wollust, Völlerei und der Trägheit des Herzens.
Nein, ich sah die schöne junge Frau in ihrem langen Gewand, die im Garten Rosen pflückte und Äpfel und Trauben in die Schale legte.
Wähnte sie in ihrem Lehnstuhl sitzend und träumend ihr Arrangement betrachten.
Das die liderliche aber, während ich so träumte, vielleicht mit ihrem Galan jauchzend durch Damast und Daunen tobte, davon ahnte ich nichts.
Und das sie vielleicht das Glas am unteren Bildrand nur umgestoßen hatte, weil er hinter ihr stand und ihr geil den Rock hochschob um sie zu befingern oder ihr mit der Hand über die prallen Hinterbacken zu fahren um ihr dann klatschend einen roten Handabdruck zu hinterlassen.
Das auf dem Bild eigentlich noch ein Tuch zu sehen gewesen wäre, wenn er es nicht im letzten Moment noch mitgenommen hätte um sie damit ans Bett zu binden, damit sie sich nicht so sträuben würde gegen ihn, ihre Scham grazil beiseite legen könnte wie ein besticktes Taschentuch, weil er ihr ja nun keine Wahl mehr ließ. Oder er ihr sogar die Augen verband und sie zitternd auf das wartete was nun kommen würde. Ja, sie vielleicht sogar am Ende seinen Schwanz in ihrem Mund ...
Und den lüsternen Maler der all dem zuhörte und gelegentlich voyerierte sah ich auch nicht.
All diese Dinge waren mir damals unvorstellbar.
Ich malte mir die Welt hinter dem Bild mit den Blicken meiner noch unschuldigen Kinderaugen.
Spann den Faden der Geschichte die ich dahinter sah.
Heute spinne ich andere Fäden, sehe hinter unschuldigen Früchten ganz andere Bilder.
Ich wünschte mir ich könnte meine Gedanken malen, oder wenigstens fotografieren.
Verstörend, betörend manchmal.
Und Stillleben würde ich malen, die sichtbaren und auch die unsichtbaren, die hinter den Bildern.



Stilleben

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Dienstag, 17. Juni 2008 - 16:29 Uhr
Wermut-Wehmut


Tage hat es gedauert, dies in Worte zu fassen und jetzt höre ich rauchend Händel dazu.
Viel zu wichtig es so einfach kommentarlos geschehen gewesen zu sein.
Gedanken flattern vorbei, ich muss mich jetzt beeilen, sie alle nebenbei mit dem Bleistift auf kleine Zettel zu heften und sie dann sorgfältig sezieren.
Wir fuhren in die nächste Stadt, saßen draußen und tranken Kaffee aus Bechern. Ich rührte deinen Zucker und die Sahne mit in meinen Kaffee.
Ich kaufte einen silbernen Engel und weißes Geschirr und du eine blaue Hose.
In der Kabine neben dir, der Mann der zigmal beteuerte für dieses eine Mal würde der Anzug schon passen und seine Frau die verzweifelt versuchte ihm ein Wohlgefallen aufzuschwatzen.
Grinsend stand ich hinter der Säule und hätte ihm gerne gesagt wie gut er aussah in anthrazit.
Dann saßen wir bei Regen unter dem Pavillon und bei Kartoffelstäbchen öffnetest du dich.
Was du sagtest schob Schlagworte vor mein Denken, die ich mir verkniff und mir Zeit nahm zum Denken.
Und meine Worte versuchten dir Weichen zu stellen in andere Denkweisen.
Ich weiß doch das es anders geht und sogar besser.
So kann es niemand wollen.
Pflichtbewusstsein über alles und nur ja nichts abgeben, so seid ihr Söhne Neptuns, ich weiß das schon lange.
Ich zitterte nicht nur vor Kälte.
Deine Bewegtheit rührte mich tief an. Und du sagtest anderes ginge heute nicht, leider.
Ich wollte gar nichts anderes als ich dich so wahrnahm, nur der wackelige Holztisch zwischen uns störte
.
Später bei mir sprachen wir bei grünem Wermut über Wehmut.
Du öffnetest mir eine große hölzerne Tür und ich ließ meine Ohren in dich hineinsehen.
Wir wollen beide das gleiche, auf unterschiedlichen Pfaden.
Du nimmst Mühen auf dich um zu erreichen und ich nehme mir wie selbstverständlich was man mir davon gibt. Es ist ein Geschenk, nein, ich bitte darum nicht, mehr.
Zu lang habe ich wohl um manches vergeblich gekämpft um am Ende meinen Wert selbst festzustellen.
Um meiner selbst willen bekomme ich so viel mehr.
Ist es mir deshalb weniger wert?
Nein, ich habe es erst jetzt schätzen gelernt und weiß jetzt zu unterscheiden, wo es wertvoll ist und wo nur billige Masche.
Und du bist mir in dieser Wermutnacht so nahe gekommen, so wertvoll geworden.
Hast dich so offen gemacht so nahe, mich zu dir gelassen.
Soviel Nähe hätten Gier und Geilheit nie schaffen können in dieser Nacht.
Und auch in vielen anderen nicht.
Von Anfang an hast du nie große Kulissen vor dir selbst aufgebaut, du brauchst keine Mauern aus Pappe um dich dahinter zu verstecken. Ich bin im Kulissen stürzen sowieso ziemlich schnell, und finde solide Wände besser, die halten auch Stürmen mal stand. Und man kann sich dort auch mal miteinander anlehnen ohne das alles gleich wankt.
Am Tag zuvor, als wir draußen in der Sonne saßen, sagte ich dir noch das es dort lange nicht mehr so gewachsen ist wie in diesem Jahr.
Eben zog ein Hauch vom Duft der englischen Rosen herein und ich möchte mit dir in diesem Herbst die jetzt noch grünen selbstgezogenen Tomaten essen.




Samstag, 7. Juni 2008 - 21:59 Uhr
Zeit


Ich kann sie nicht erfassen und das ticken der Uhr sagt auch nichts über sie aus.
Auf das Zifferblatt starrend bemerke ich wie sie vergeht, langsam, zähflüssig wie alter Honig.
Und sie ist doch so wichtig, auch wenn die Zeit die verrinnt nichtssagend ist.
Sie macht mich angreifbar.
All die Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen die verrinnen, nutzlos verstreichen.
Sie kehrt Gefühle nach außen die ich nicht will.
Ihre Saat geht auf wie Löwenzahnsamen vom letzten Jahr.
Pusteblumen nannten wir sie früher.
Ich mochte gelb noch nie, nicht als Farbe und auch nicht als Gefühl.
Und ich rupf sie aus, bevor die Samen fliegen und sich niederlassen in mir.
Ich will doch mehr, viel mehr.
Am Rande der verlorenen Zeit taucht ein Schatten auf und ich möchte ausruhen in ihm.
Anlehnen an seiner innigen Kühle. Die Zeit anhalten.
Zurückdrehen vielleicht sogar.
Würde es die nutzlose Zeit beschleunigen wenn ich an den Zeigern dreh?
Zeit ist warten, Sehnsucht, hoffen und manchmal immer zu schnell vorbei wenn man sie halten will.
Manchmal nur hält sie an, wenn ich der Welt entrückt nichts mehr fühle.
Dann wird sie ohnmächtig über mich.
Wie lang verharre ich in ihr wenn ich im freien Fall gefangen bin?
Später läuft sie langsamer, wartet auf mich.
Wie beim Auftauchen aus tiefen Wassern verzerrt sie sich.
Bis ich die Sonne wieder sehe und alles heller wird und warm.
Ich wieder fühle, wieder bin.
Zeit...
Manchmal kommt es mir vor als gäbe es unendlich viel davon.
Aber vielleicht, irgendwann, werde ich denken, das ich zuviel davon vertröpfeln ließ.




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