Wir sitzen im selben Boot.
Wer hat uns dort hinein
gesetzt?
-Wir, oder etwas anderes,
etwas das größer ist, mächtiger, das lenkt und bestimmt was sein
soll und was nicht?
--Und was soll dann sein
am Ende und was nicht?
---Wenn nicht, was war
dann der Sinn?
----Mit weit geöffneten
Sinnen und Augen abzusaufen?
Wir sitzen im selben Boot.
Haben uns auf eine Anregung von außen dort selbst aufeinander
eingelassen. Zumindest hatten wir, als wir das Boot enterten noch so
viel Entscheidungsfreiraum, der uns später abhanden kommen sollte.
Schiffbruch war nur sehr
weit entfernt eine Ursache, obwohl, wenn man es ganz genau nimmt?
Hatten wir dann nicht doch
beide eine Art von Schiffbruch erlitten, jeder auf seine Art und
Weise, sich mehr oder weniger als Schiffbrüchiger fühlend?
So gesehen, habe ich in
dem Boot schon gesessen und du bist zugestiegen. Ich bin ein bisschen
beiseite gerückt, ohne zu überprüfen wie weit die Vorräte zum
Überleben in dieser Situation noch ausreichen könnten.
Andere, die auch um das
Boot schwammen habe ich abgewiesen, wieder zurück ins Wasser
gestoßen, weil sie mir nicht wert erschienen sie mit ins Boot zu
nehmen.
Zu offensichtlich die Gier
in ihren Augen, verbunden mit dem Gedanken, wenn es hart auf hart
gehen würde, dann würden sie mich über Bord stoßen, ohne auch nur
einmal wimpernzuckend darüber nachzudenken.
Du schwammst eine Weile
ruhig nebenher, ganz ungierig. Fragtest nach dem Ziel und wir
stellten fest, dass wir die selbe Richtung hatten. Ich ruderte etwas
langsamer, ließ mich schließlich nur noch treiben und wir wollten
uns nicht aus den Augen verlieren. Das war Grund genug dich
einzuladen zu mir ins Boot zu steigen.
Ich rückte ein wenig
beiseite, ließ dich neben mir sitzen und wir kümmerten uns nicht
mehr um Ziele, trieben auf den Wellen dahin.
Lehnten uns unterm
nächtlichen Himmel zurück und pflückten uns gegenseitig die
Sterne. Wir hielten sie uns vor Augen und erzählten einander was sie
uns bedeuten.
Zwischen uns ein kleiner
Beutel, in den wir all die Sterne legten die uns gefielen. Er füllte
sich reichlich und funkelte immer verheißungsvoller.
Weder die Zeit, noch
Hunger oder Durst spielten eine wesentliche Rolle. In diesem Boot
waren nur wir beide wichtig.
Manchmal, wenn Wind
aufkam, dann dachten wir an die Folgen, oder über die Folgen nach.
Aber wir konnten ja schwimmen, jederzeit aussteigen.
(Höhnisches Gelächter
aus dem Off: Ja, wie die Süchtigen! Die behaupten ja auch jederzeit
aussteigen zu können, solange sie es nicht versucht haben, um damit
ihre Sucht zu verharmlosen.)
Wir haben niemals darüber
nachgedacht den Proviant gerecht in zwei Teile aufzuteilen.
Vertrauten einander, dass jeder nur soviel nehmen würde, wie es zum
Überleben nötig wäre. Wir waren tagelang sparsam, um uns dann, an
dem wenigen das wir hatten, der maßlosen Völlerei hinzugeben. Eine
der Todsünden, die sich guter Gesellschaft erfreute.
(Die rauchige Stimme der
Zarah Leander meldet sich aus dem Off und singt einen bekannten
Refrain.)
Eine ganze Weile blieben
wir unbestimmt in unseren Äußerungen, bis wir sie schließlich
aufeinander bezogen. Das berühmte „Was wäre wenn“ - Spiel,
festgemacht an konkreten Beispielen aus dem Alltag, der uns weit
entfernt schien, den wir aber trotzdem in unseren Mittelpunkt
rückten, als wären wir dort und nicht in diesem Boot, weit draußen
im Meer der Möglichkeiten.
Was wäre wenn:
ein Sturm aufkommt?
uns der Proviant ausgeht?
Land in Sicht kommt?
das Boot zu sinken droht?
Würden wir einen Sturm
überstehen, bei dem die Wellen ins Boot schlagen und es kurz vor dem
Kentern ist? Wenn wir gegen den Wind anschreien müssten, miteinander
um das Boot kämpfen müssten. Könnten wir uns aufeinander verlassen
und würden dem Urteil und der Führung des anderen vertrauen?
Könnten wir darauf vertrauen, dass der Sturm ein Ende haben wird und
wir danach wieder in ruhigen Gewässern treiben, ganz egal ob wir uns
dem Ziel genähert haben oder uns weiter von ihm entfernt haben?
Wären wir in der Lage gefährliche Riffe und Eisberge rechtzeitig zu
erkennen und sie trotz des Sturmes zu umschiffen, ihnen auszuweichen?
Die Antwort fanden wir auf
einer Treppe, die gefährlich nahe an einem Riff lag.
Die Frage mit dem Proviant
ließ sich nur schwer in den Mittelpunkt zerren, weil sie uns viel zu
hypothetisch erschien, als dass sie wahrscheinlich wäre.
In wieviele letzte kleine
Bissen und Schlucke würden wir die Reste aufteilen?
Bestünde die Gefahr dass
wir einander übervorteilen würden? Würde sich Misstrauen zwischen
uns schieben können, Neid, Angst, Wachsamkeit?
Oder würden wir nicht
doch viel eher füreinander verzichten und der eine dem anderen mehr
überlassen wollen als er für sich beanspruchte? Und würden wir das
zulassen können oder uns dagegen verwehren und lieber miteinander
auf die Reste verzichten als dem anderen gegenüber im Vorteil zu
sein?
Wieviel Hunger und Durst
könnten wir füreinander ertragen?
Die einzig mögliche
Antwort auf diese Frage ist, dass es keine Antwort darauf gibt, bevor
man nicht in der Situation ist.
Was würden wir tun, wenn
tatsächlich Land in Sicht käme?
Würden wir anfangen
hektisch zu rudern um endlich an Land gehen zu können?
Würden wir uns weiter
treiben lassen, um zu sehen ob es uns auch tatsächlich dorthin
treibt?
Oder würden wir anfangen
zurück zu rudern, um dem nicht ins Auge blicken zu müssen, was uns
außerhalb des Bootes erwartet, weil wir es eigentlich gar nicht
verlassen wollen?
Und was wäre wenn wir uns
nicht über die Richtung einigen könnten, wenn der eine an Land will
und der andere das Boot gar nicht verlassen will?
Könnte der eine sich
weiter treiben lassen oder zurückrudern, wenn der andere an Land
schwimmt, im Vertrauen darauf dass der andere folgen wird?
Oder gehen wir einfach
eine Weile vor Anker?
(Tonmeister: Hier bitte
eine Einspielung sanfter Wellengeräusche.)
(Nächste Einspielung:
Filmszene aus „Der Untergang der Titanic“ aus dem s/w Original
von 1953. Panik an Bord, die Passagiere steigen in die Rettungsboote,
Blende auf die üblichen herzzerreißenden Dramen. Aus dem Megaphon
tönt knarzend der Aufruf: „Frauen und Kinder zuerst!“
Kameraschwenk- jetzt in
Farbe - ein kleines Schlauchboot dümpelt auf hoher See, an Bord zwei
Personen, aus unerfindlichen Gründen lässt das Boot Luft und droht
in absehbarer Zeit zu sinken)
Welche Möglichkeiten
bestehen?
Man beginnt gemeinsam wie
verrückt zu rudern, in der irrsinnigen Hoffnung auf Rettung oder
doch noch endlich auf eine Insel zu stoßen, die man eventuell
schwimmend erreichen könnte.
Man lässt sich einfach
weiter treiben, in der selben irrsinnigen Hoffnung.
Man wägt die
Möglichkeiten des Überlebens ab, wenn nur einer an Bord bleibt.
Angesichts der Haie im
Wasser fällt die Möglichkeit, abwechselnd neben dem Boot her zu
schwimmen als Lösung aus.
Es bleibt also nur ein
freiwilliges Opfer. Wer würde sich opfern und würde der andere
dieses Opfer zulassen können?
Was für eine wahnsinnige
Entscheidung?
Dabei zusehen zu müssen,
wie einer ein Opfer der Haie wird, wem mag man das zumuten?
Oder würde man in letzter
Sekunde ebenfalls aus dem Boot springen um den anderen doch noch zu
retten, den Kampf gegen die Haie aufnehmen?
Vielleicht würde man aber
auch die Entscheidung zum Schein auf den nächsten Tag verschieben
und sich nachts heimlich ins Wasser gleiten lassen.
Wo bliebe dabei die
Fairness und welche Last würde man dem anderen damit aufbürden?
Und sollte man vor all
diesen Überlegungen nicht doch besser alle Optionen durchdenken, die
man hat, um ein Sinken des Schlauchbootes zu verhindern.
Ganz sicher gibt es einen
Möglichkeit das Loch abzudichten.
(Tonmeister: Hier bitte
nochmals die Einspielung der Megaphonstimme
„Frauen und Kinder
zuerst!“, anschließend künstliches Publikumsgelächter.)
Wir sitzen im selben Boot.
Der Gedanke an fast
unendliche Tiefen lässt uns schaudern.
(Abspann: Eine einsame
Insel -Hollywoodkitsch-Palmenstrand-
zwei kommen Hand in Hand
aus dem Wasser und gehen über den weißen Sand,
abseits treibt ein
Schlauchboot aufs Meer zurück)
(Anmerkung: manchmal kann
ich auch Happyends)
Edit: alternatives Ende
kurz drauf nähert sich der Insel eine Sturmfront in Orkanstärke,
gefolgt von einem Tsunami, der über die Insel rollt und sie zerstört.
Übrig bleiben nur die zerfetzten Reste des Schlauchbootes die gelegentlich irgendwo angespült werden.
Edit: alternatives Ende
kurz drauf nähert sich der Insel eine Sturmfront in Orkanstärke,
gefolgt von einem Tsunami, der über die Insel rollt und sie zerstört.
Übrig bleiben nur die zerfetzten Reste des Schlauchbootes die gelegentlich irgendwo angespült werden.
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