Rene sitzt am Tisch
zwischen den anderen und monologisiert, wie immer. Er hört sich
gerne reden, dafür hört er nicht so gerne zu wenn jemand anderes
etwas zu sagen hat.
Er hält sowieso nur seine
Meinung für wichtig genug sie kund zu tun. Die anderen haben doch
keine Ahnung, keinen Durchblick, wissen nichts von den wahren
Hintergründen, sind nur oberflächlich informiert.
Aufklärung ist nötig,
Meinungsbildung, seine Meinung.
Kein Thema zu dem er
nichts zu sagen wüsste, sobald jemand ein Bröckchen in die Runde
wirft. Rene schnappt danach. Wirtschaft, Politik, Religion, Krieg,
alles hängt zusammen, alles verwoben, der ganze korrupte Dreck, den
nur ganz wenige Auserwählte wirklich durchblicken, weil sie sich die
Mühe machen hinter die Fassaden zu blicken. Aufräumen müsste man
da mal und alles auf Null setzen und ganz von vorne anfangen. Dann
würde es wieder gerechter werden und sauberer.
Aber es geht ja keiner mit
von den faulen Säcken. Eine Revolution müsste mal wieder her, so
wie früher. Ganz gleich ob friedlich oder mit Gewalt, nur es muss
sich was ändern.
Rene trinkt Roten, weil
das so üblich ist unter seines gleichen. Bier ist was fürs
Proletariat. Bier macht tumb und dumm und träge dicke Bäuche. Daran
erkennt man die Dummen, an ihren Bierbäuchen. Auch solche Sätze
predigt er.
Und Rene träumt davon sie
alle auf seine Seite zu ziehen, auch die bierbäuchigen.
Dass sie es endlich alle
einsehen und mitgehen, wenn die Revolution kommt.
Den Wein trinkt er aus
Gläsern. Nur die Kellnerin weiß am Ende wieviele es am Abend waren
und dass es immer der billige ist.
Die anderen versuchen
anfangs noch mitzuhalten, anzuknüpfen, in eine Atemlücke seiner
Monloge zu schlüpfen, bis er ihnen wieder seine Wortflut überstülpt.
Eine Weile heucheln ihre zugewandten Blicke noch höflich
gelangweiltes Interesse, bis jeder froh ist, wenn sich irgendwo am
Tisch ein Gesprächsfetzen aufschnappen lässt in den man sich
einklinken kann. Aber das hindert ihn nicht. Er redet bis zum letzten
Opfer, das meist dicht neben ihm sitzt und die Rituale noch nicht
kennt.
Der Abend wird lang, das
Gelächter lauter. Die anderen lachen, nur Rene wartet redend darauf,
dass endlich jemand mitkommt und Revolution mit ihm macht, so wie
damals in Frankreich.
Ja, die Franzosen, die
hattens drauf, auch wenn damals Köpfe gerollt sind. Abgeschlagen von
der Guillotine rollten sie dem Volk vor die Füße, die
Verräterköpfe. Nicht immer war die Schneide scharf genug für einen
sauberen Schnitt. Manchmal hingen Haut und Adern in Fetzen. Vive la
France, es lebe die Revolution, skandiert er zu vorgerückter Stunde
mit geschwollener Zunge, als wäre er damals dabei gewesen.
Ja, Paris, die Stadt der
Liebe. Das wäre ein Leben, die Baskenmütze schräg auf dem Kopf, da
Baguette unter dem Arm und der Sex wäre immer französisch. Ab einem
gewissen Pegel kann Rene auch mal zotig sein und den Damen mit
französischen Akzent Schweinereien zuflüstern. Dabei amüsiert er
sich prächtig, lacht laut und klopft sich auf die Schenkel. Ein
Zustand der vorübergeht, fast unbemerkt bekommt er dann etwas
weinerliches und sinniert über die Liebe.
Die Liebe des Lebens, den
Sinn und Zweck und die Liebe überhaupt.
Philosophisch müsste man
das Thema angehen, meint er. Ob man immer nur einen Menschen lieben
kann oder ob wir nicht doch alle nur treulose Polygamisten seien, die
sich der gesellschaftlichen Moral nur aus geheuchelter Anständigkeit
unterwerfen.
Und was ist das überhaupt,
Liebe. Ein unerklärliches Gefühl, dass einen nur weich macht und
einen doch immer wieder leiden lässt und Misstrauen sät. Und
überhaupt wäre es doch ganz egal welchem Geschlecht man sich dabei
zuwendet. Wahre Liebe kennt solche Grenzen nicht.
Hier räkeln sich meist
die Männer ein wenig peinlich berührt.Ob der Rene wohl schwul ist,
oder zumindest bi. Man weiß es ja nicht, man sieht ihn ja nie mit
einer.
Vielleicht ist er ja so
ein heimlicher und nach dem nächsten Roten kommt sein besoffenes
Outing.
Aber nein, Enttäuschung
macht sich breit, wieder keine Sensation. Rene schwärmt von all den
verflossenen Lieben in seinem Leben. Lange her, aber wirklich geliebt
hat er sie alle, jede auf ihre Weise. Wenn einer die Frauen versteht,
dann er. Vielleicht sind sie deshalb nie geblieben, weil er all ihre
Geheimnisse kannte.
Die Zunge wird ihm schwer
wie sein Gemüt. So ein Hauch Melancholie, von dem er denkt er würde
avantgardistisch wirken, wenn er sich schweigend vom Tisch erhebt,
der Kellnerin das Kleingeld über den Tresen rollt und er dann mit
erhobener Hand ein „Adieu Freunde“ in die Runde wirft.
Auf der Straße schleppt
er sich drei Häuser weiter, stützt sich mit einer Hand an der Mauer
ab und hält mit der anderen seinen Schwanz beim Pinkeln. Schwankend
verpackt er nach verrichtetem Tun sein bestes und auch gleichermaßen
nutzloses Stück und singt stammelnd ein paar Fetzen der
Marseillaise.
Er malt sich aus wie sie
wäre. Claire müsste sie heißen, dunkles Haar, Pagenschnitt und
einen süßen Akzent. Und sie würde ihn verstehen, würde alles
verstehen.
Und am nächsten Morgen,
gleich nach dem Frühstück würden sie losgehen und Revolution
machen. Dann könnten die anderen mal sehen wie das geht.
Der Schlüssel geht nicht
ins Schloss, erst als er drei Mal laut ihren Namen gerufen hat.
„Claire.“ Da gelingt der Dreh, die Tür öffnet sich. Wenn sie
doch nur da wäre, jetzt, sich neben ihn legen würde, den weichen
Leib, ausgestreckt auf dem Bett.
Er lässt sich neben sie
fallen, das Bild von ihr in seinem Kopf.
Die Katze flüchtet wütend
fauchend von ihrem Lager und knurrt ihn aus der Ecke mit
zurückgelegten Ohren an. „Ach Felida.“
Am Morgen wird Versöhnung
gefeiert, mit Dosenthunfisch für beide. Und die Revolution wird noch
ein wenig warten müssen.
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