Dienstag, 2. November 2010

ohne alles


Die Sonne scheint grell durch das breite Fenster, vor dem gelegentlich jemand eine Autotür viel zu laut zuschlägt. Zum Verdunkeln hatten sie gestern keine Gelegenheit mehr. Vielleicht waren sie dazu auch einfach nicht mehr in der Lage.
Er hatte angerufen, wie er es immer tat, wenn er mal wieder verlassen worden war oder jemanden verlassen hatte. „Ist doch alles Scheiße mit den Gefühlen und so. Kommst du? Ich koch uns auch was.“
Das Telefongespräch war die Grundlage für das Danach und das Essen die Grundlage für das gemeinsame anschließende Besäufnis. Erst nur ein Glas und dann die Flasche Wein zur Musik. Später war dann auch der Ouzo geleert und einer von beiden täuschte Müdigkeit vor damit sie endlich ins Bett kamen. Der eigentliche Anlass dieser Treffen. Noch ein paar Sätze reden, eher unverständliches und dann Haut an Haut, so tun als wolle man einschlafen, bis ein Satz den Auslöser gab sich hinzugeben. Die willenlose, anstrengende Lust der Trunkenheit. Sich den Frust in der Vertrautheit aus der Seele ficken. Sie wussten wer, wie und was am liebsten mochte, von all den vorherigen Treffen. Nur ein einziger Akt, mehr war nicht nötig um das Gewollte zu erreichen. Nähe schaffen ohne Gefühle investieren zu müssen. Zumindest nicht mehr als nötig.

Ein gutes Gefühl aneinander so schamlos zu sein, zu wissen, dass man sich nur aneinander bediente. Kein Gewissen haben zu müssen, weil es niemanden gab dem es weh tat, denn das war die einzige Voraussetzung dafür. Beiderseitige Verfügbarkeit, ohne Verletzung dritter. So unverbindlich, wie es innerhalb einer Freundschaft sein konnte. Am nächsten Morgen gemeinsames Frühstück. Keine Zärtlichkeiten, weil die jetzt nicht mehr tragbar gewesen wären. Eine Umarmung zum Abschied, bis zum nächsten Mal, dass unweigerlich kommen würde. Man trennte sich ohne schlechte Gefühle die einem im Nacken saßen, weil beide wussten was es war und dass es nichts weiter zu bedeuten hatte.

Nur heute morgen ist es anders. Sie liegt mit offenen Augen neben ihm, lauscht seinem träumenden Schnaufen. Ein Geräusch das ihr vertrauter sein wollte. Bei dem sie das Bedürfnis haben sollte sich ihm und seinem Körper zuzuwenden, sich wieder mit ihm zu verbinden, aus der Selbstverständlichkeit des aufwachenden Halbschlafs.
Aber da ist nichts, nur eine Leere, die sie versucht auf dem Rücken liegend zu binden. Die Decke bis an die Schultern, die Arme stramm am Körper darüber, als könne sie so verhindern das die innere Kälte sie überrollt.
Ein Essen, eine Flasche Wein und eine Flasche Ouzo. Sie fühlt sich billig.
Auch wenn es von beiden so gewollt ist.

Langsam schiebt sie sich unter der Decke hervor, sammelt ihre Kleidung vom Fußboden und schleicht aus dem Zimmer.
In der Küche sucht sie nach Zettel und Stift.
Ruf nicht mehr an - und legt die Notiz unter das Päckchen mit seinem Tabak.
Mehr ist nicht nötig, damit er versteht.

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